Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

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Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

Nachruf Karl-Wilhelm Wichmann (1928–2025)

25. Februar 2025

Die Gedenkstätte Sachsenhausen trauert um den ehemaligen Häftling des sowjetischen Speziallagers Karl-Wilhelm Wichmann, der am 2. Januar 2025 im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Sein Lebensweg war eng mit der Gedenkstätte Sachsenhausen verbunden, die ihm zu großem Dank verspflichtet ist. Geboren am 6. Juni 1928, erlebte er als Jugendlicher die letzte Phase des Zweiten Weltkrieges als Luftwaffenhelfer. Ein Kopfschuss hätte sein Leben beinahe frühzeitig beendet – doch er überlebte und begann nach Kriegsende ein Studium am Pädagogischen Institut in Greifswald.

Ein Vortrag in einem Gegenwartskunde-Seminar über die Zukunft Deutschlands führte 1946 zu seiner Verhaftung durch sowjetische Behörden. Darin erhob er u.a. die Forderung, die zu jener Zeit diskutierte Internationalisierung des Ruhrgebiets zu verhindern: „Wir müssen mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften dafür kämpfen, dass das Ruhrgebiet deutsch bleibt.“ Am 29. März 1946 wurde er in Greifswald verhaftet und am 29. Juni 1946 wegen antisowjetischer Äußerungen und des angeblichen Aufrufs zum bewaffneten Kampf gegen die Alliierten vom sowjetischen Militärtribunal der 5. Stoßarmee zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach einiger Zeit im Speziallager in Torgau kam er 1948 ins sowjetische Speziallager in Sachsenhausen. Bei der Auflösung des Lagers im Frühjahr 1950 wurde er an die DDR übergeben und am 17. Januar 1954 aus dem Gefängnis in Torgau entlassen. Er beendete sein Studium in der DDR und blieb im Schuldienst, wo er bis zur Rente tätig war. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde er rehabilitiert.

Seit vielen Jahren besuchte er die Gedenkstätte Sachsenhausen und nahm an Zeitzeugengesprächen teil. Er hielt die Hauptrede anlässlich des 75. Jahrestages der Einrichtung des sowjetischen Speziallagers und beteiligte sich an der Diskussion um die Zukunft der Aufarbeitung der Geschichte der sowjetischen Speziallager. Ihm war es wichtig, dass die Beschäftigung mit der Geschichte des Speziallagers nicht im Zeichen des Hasses und mit der gebotenen Differenzierung durchgeführt wird. 

Stiftungsdirektor Axel Drecoll: „Mit Karl-Wilhelm Wichmann ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit, ein intensiv reflektierender Zeitzeuge und guter Freund der Gedenkstätte Sachsenhausen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns gegangen. Sein Tod ist ein großer Verlust und wir werden ihn schmerzlich vermissen. Karl-Wilhelm Wichmann war von 1948 bis 1950 im Speziallager Sachsenhausen inhaftiert und verbrachte anschließend weitere Haftjahre in Torgau. Seine beeindruckenden und verstörenden Schilderungen von Leid und Unrecht, das er erdulden musste, und seine kritische Reflexion der NS-Verbrechen und ihrer Auswirkungen haben tiefe Spuren bei seinen Zuhörerinnen und Zuhörern hinterlassen. Er war ein Mann der leisen Töne, bescheiden, freundlich und kritisch in der Analyse. Die Begegnung mit ihm war und ist für uns alle eine Bereicherung. In diesem Sinne wird Karl-Wilhelm Wichmann in der Gedenkstätte präsent bleiben.“

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