Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

28/25: Ein Schatz für die Erinnerungsarbeit – Die Filmemacherin Loretta Walz hat 207 Interviews mit KZ-Überlebenden an die Gedenkstätte Ravensbrück übergeben

02. Juli 2025

Nr.: 28/2025

In mehreren Teillieferungen hat die Filmemacherin und Grimme-Preisträgerin Loretta Walz ihre Sammlung von 207 audiovisuellen Interviews mit Überlebenden der Konzentrationslager Ravensbrück, Lichtenburg und Moringen an die Gedenkstätte Ravensbrück übergeben. Die einzigartige Sammlung mit mehr als 800 Stunden Filmmaterial, rund 800 Fotos und zahlreichen Schriftdokumenten befindet sich jetzt vollständig und digital aufbereitet in der Gedenkstätte Ravensbrück, wo sie für die pädagogische Vermittlung und die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung steht. 

Bei einem Pressegespräch am heutigen Nachmittag im Filmmuseum Potsdam sagte Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück: „Die Tatsache, dass Überlebende der Konzentrationslager eines Tages nicht mehr berichten können, prägt die Diskussion um die Vermittlungsarbeit in den KZ-Gedenkstätten seit Jahrzehnten. Audiovisuelle Interviews sind eine seit Langem erprobte Möglichkeit, die Erfahrungsgeschichte der Überlebenden nicht nur zu bewahren, sondern als Quelle für zukünftige Fragestellungen und Forschungen zu sichern. In dieser Hinsicht stellen die von Loretta Walz mit großer Sensibilität geführten und mit ausdrucksstarken filmischen Mitteln dokumentierten Interviews für die Gedenkstätte Ravensbrück einen unermesslichen Schatz dar. Die biografischen Erzählungen, aber auch die festgehaltenen Blicke und Körperhaltungen der damals bereits betagten und inzwischen verstorbenen KZ-Überlebenden ermöglichen tiefe Einblicke in die jeweils erlebte Lagerrealität und in die unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien. Die von Loretta Walz gefilmten Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen können gerade jungen Menschen eine Vergangenheit, die für sie fern gerückt ist, auf eindringliche Weise nahebringen.“

Loretta Walz sagte: „Vor allem für meine Interviewpartnerinnen und Interviewpartner freue ich mich sehr, dass meine umfangreiche Sammlung nun in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück archiviert und zugänglich ist. Das ist nicht nur mir eine große Freude, es ist auch im Sinne all derer, in deren Leben ich schauen durfte. Die vielen interviewten Frauen und (wenigen) Männer haben über ihr Leben und die qualvolle Zeit ihrer Haft gesprochen, weil sie wollten, dass ihre Erinnerungen erhalten bleiben. Ich bedanke mich bei der Gedenkstätte Ravensbrück für ihr Engagement zur Übernahme der Sammlung und beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien für die gewährte Förderung.“

Annemarie Wolff, Jugendpolitische Sprecherin und Sprecherin Bekämpfung Rechtsextremismus der SPD-Landtagsfraktion, ergänzte: „Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind Erinnerungen – persönlich, unverstellt und dadurch so wertvoll. Sie zeigen, wohin Ausgrenzung, Hass und rechte Ideologien führen. Gerade jetzt brauchen wir historisch-politische Bildung, die hinschaut, berührt und zum Widerspruch ermutigt.“

Im Zeitraum von 30 Jahren (1982 bis 2012) hat Loretta Walz lebensgeschichtliche Interviews mit 191 Frauen, die in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Lichtenburg und Moringen inhaftiert waren, und mit 16 Überlebenden des Männerlagers in Ravensbrück geführt und filmisch dokumentiert. Zu den Überlebenden aus der Bundesrepublik und Westeuropa kamen ab 1990 auch Überlebende aus der (ehemaligen) DDR und aus Osteuropa hinzu. Die Sammlung stellt die umfangreichste zusammenhängende Dokumentation von Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück dar. Sie bietet einen einzigartigen multiperspektivischen Einblick in den Lageralltag, in die sozialen Strukturen innerhalb des Stammlagers und seiner Außenlager sowie in die vielfältigen Erinnerungsprozesse.

Die auf rund 1500 Videobändern und ab 2008 digital aufgezeichneten Interviews sind vollständig digitalisiert und benötigen eine Speicherkapazität von 1,5 Terabyte. Hinzu kommen 150 ebenfalls digitalisierte Videobänder mit Aufnahmen der Gedenkstätte und des ehemaligne KZ-Geländes ab 1993, von verschiedenen ehemaligen Außenlagern sowie von Treffen ehemaliger Häftlinge in den 1980er und 1990er Jahren. Bei den Fotos handelt es sich meist um Standbilder, die vor allem abgefilmte Dokumente und Fotos aus dem Besitz der Interviewpartnerinnen zeigen und die ebenfalls wertvolle Quellen darstellen.

Die Schwerpunkte der Dokumentarfilmerin Loretta Walz liegen in den Bereichen Geschichte und Biografie. Als Dozentin für Medienarbeit war sie u.a. von 1988 bis 2008 an der Universität der Künste in Berlin und von 2009 bis 2017 an der Universität Luxemburg tätig. Für ihren Film „Die Frauen von Ravensbrück“ wurde sie 2006 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Für ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurde ihr im gleichen Jahr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Die Gedenkstätte Ravensbrück arbeitet bereits seit vielen Jahren mit Loretta Walz zusammen. Zahlreiche Sequenzen aus ihrer Interviewsammlung sind in der 2013 eröffneten Hauptausstellung zu sehen.

Die Interviews werden in die Sammlungsdatenbank der Gedenkstätte aufgenommen, verschlagwortet und transkribiert, damit sie für Recherchen und in der Vermittlungsarbeit insbesondere bei Seminaren und mehrtägigen Formaten genutzt werden können. Dabei kann die Interviewsammlung auch für eigene Videoarbeiten verwendet werden, mit denen Jugendliche und junge Erwachsene ihre Eindrücke auf filmische Weise zum Ausdruck bringen. Die Dr.-Hildegard-Hansche-Stiftung, die derzeit eines der ehemaligen Unterführerhäuser in Ravensbrück zu einem Seminarhaus mit dem Schwerpunkt Medienbildung ausbaut, möchte diese Interviews ebenfalls für ihre Arbeit nutzen. Die Gedenkstätte kooperiert eng mit der Stiftung, die 1994 von einer ehemaligen KZ-Gefangenen für Bildungszwecke gegründet wurde.

Die Übernahme der Interview-Sammlung von Loretta Walz durch die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wurde im Rahmen einer Förderung durch das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULEplus) 2024 ermöglicht.

 

Information:

www.ravensbrueck-sbg.de

www.loretta-walz.de

www.hansche-stiftung.de

 

Verantwortlich:
Dr. Horst Seferens | Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
16515 Oranienburg | Heinrich-Grüber-Platz | T +49 3301 810920
seferens(at)stiftung-bg.de | www.stiftung-sbg.de


Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wird durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

 

 

 

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