Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Presseinformationen

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

47/24: Gedenken an die Opfer des sowjetischen Speziallagers in Sachsenhausen

01. September 2024

Nr.: 47/2024

Mit Ansprachen der Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Bahar Haghanipour, des Staatssekretärs für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Tobias Dünow, der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nooke, und des ehemaligen Inhaftierten Reinhard Wolff ist heute in der Gedenkstätte Sachsenhausenan die Opfer des sowjetische Speziallagers (1945-1950) erinnert worden. Am Gedenkort auf dem Friedhof am ehemaligen Kommandantenhof wurden Kränze niedergelegt. Hier befindet sich ein Massengrab mit rund 7.000 der insgesamt 12.000 Opfer des Speziallagers. An der Veranstaltung, zu der die Gedenkstätte und die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e.V. eingeladen hatten, nahmen rund 100 Gäste teil, unter ihnen sieben ehemalige Inhaftierte sowie zahlreiche Angehörige.

Bahar Haghanipour: „Orte wie diese zeigen uns, dass wir die dunkelsten Momente der deutschen Geschichte nicht verschweigen können. Mit der hier geleisteten Erinnerungsarbeit wird die Gedenkstätte gleichzeitig zum Symbol unseres demokratischen Verständnisses. Ein Verständnis, dass trotz all dem Hass, den Kriegen und Angriffen in der Welt nicht weniger klar ist! Im Gegenteil: Hoffnung und Menschlichkeit sind nicht verloren - es lohnt sich für Freiheit und Frieden einzustehen.“

Tobias Dünow: „Das Speziallager Sachsenhausen entsteht nach dem Krieg auf dem Gelände des früheren KZ und so wurde dieses Lager erneut ein Ort des Unrechts. Die dort Inhaftierten litten an Isolation, katastrophalen hygienischen Zuständen und Mangelernährung. Wir gedenken heute der Frauen, Männer, Kinder und Jugendlichen, die hier inhaftiert wurden, viele von ihnen Zivilistinnen und Zivilisten, die willkürlich verhaftet und unschuldig ihrer Freiheit beraubt wurden. 12.000 Menschen verloren infolge der inhumanen Haftbedingungen ihr Leben. Mein Dank richtet sich an die Überlebenden und deren Nachkommen, die mit beeindruckendem Engagement dagegen kämpfen, dass das Geschehene vergessen wird. Ich danke aber auch der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945 - 1950 für ihre wertvolle Erinnerungsarbeit. Die Geschichte der Speziallager zeigt eindrücklich, was passiert, wenn Menschen der Willkür eines inhumanen Systems ausgesetzt sind – und sie zeigt, dass die Achtung der Menschenwürde und die Umsetzung der Menschenrechte unverzichtbare Grundlage einer freien, demokratischen und offenen Gesellschaft sind.“

Maria Nooke: „Wir wissen, dass jede Generation einen neuen Zugang zur Geschichte finden muss. Deshalb gehört die Vermittlung von Wissen über die NS-Verbrechen wie auch die Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Unrecht, wie es sich auch im sowjetischen Speziallager in Sachsenhausen gezeigt hat, zu unserer Aufgabe. Das sind wir den Opfern schuldig. Und das ist die Herausforderung, wenn wir unsere Demokratie stärken und bewahren wollen.“

Reinhard Wolff, der von 1945 bis 1948 als Jugendlicher im Speziallager Sachsenhausen inhaftiert war, sagte: „Dankbar denke ich an die Begegnungen mit vielen Hundert Jugendlichen aus zahlreichen Ländern, häufig Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Workcamps, denen ich in der Gedenkstätte Sachsenhausen als Zeitzeuge von meinen Erfahrungen im Speziallager berichten durfte. Dabei habe ich immer versucht, beide Seiten des Lagerlebens darzustellen: Verzweiflung und Not, aber auch Mut und Hoffnung. Zu Beginn habe ich über die größten Schwierigkeiten im Lager gesprochen: den ständigen Hunger, den fehlenden Kontakt zu den Angehörigen und die Ungewissheit über deren Schicksal, die hygienischen Verhältnisse, die Unterbringung, Krankheiten, die Untätigkeit. Dies bildete die Basis, um die Lagerzeit auch als lehrreiche Erfahrung darzustellen. Es brauchte einen gewissen Mut, Aufgewecktheit und Durchhaltevermögen, um das Lager meistern zu können. Ich wollte mich damit keinesfalls brüsten, sondern den Jugendlichen Mut machen für die Herausforderungen, die sich auch in ihrem Leben stellen werden.“

Seit Anfang der 1990er Jahre wird der Jahrestag der Ankunft der ersten Inhaftierten in Sachsenhausen von ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen als Gedenktag begangen. Im Zuge der Verlegung des sowjetischen Speziallagers Nr. 7 von Weesow (bei Werneuchen) waren am 16. August 1945 mehr als 5.000 von der Haft geschwächte Häftlinge nach einem Fußmarsch von rund 40 Kilometern in den Baracken des ehemaligen KZ Sachsenhausen eingetroffen.

Hintergrund
Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete in ihrer Zone zehn Speziallager, die sowohl Instrumente der Entnazifizierung als auch der stalinistischen Herrschaftssicherung waren. In den Speziallagern Weesow und Sachsenhausen waren bis zur Auflösung des Lagers im Frühjahr 1950 rund 60.000 Menschen inhaftiert, von denen 12.000 an Hunger und Krankheiten starben. Im Lager waren vorwiegend untere Funktionäre des NS-Regimes, aber auch Mitarbeiter aus Verwaltung, Polizei, Justiz und Wirtschaft sowie SS-Personal aus den Konzentrationslagern inhaftiert. Unter den Häftlingen befanden sich außerdem politisch Missliebige und willkürlich Verhaftete sowie von sowjetischen Militärtribunalen Verurteilte - Männer und Frauen, Alte und Junge, NS-Belastete und Unbelastete.

 

Information: www.sachsenhausen-sbg.de

 

Verantwortlich:
Dr. Horst Seferens | Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
16515 Oranienburg | Heinrich-Grüber-Platz | T +49 3301 810920
seferens(at)stiftung-bg.de | www.stiftung-sbg.de


Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wird durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

 

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